Freitag, 25. April 2008

Der Nocebo-Effekt, der böse Zwilling des Placeobo-Effekts

Mai/Juni 2005

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Märzausgabe 2005 des »Harvard Mental Health Letter« und er wurde freundlicherweise durch »Harvard Health Publications« zur Verfügung gestellt.

Der Nocebo-Effekt

Auch wenn die verschriebene Pille möglicherweise wirkungslos ist, können die Nebenwirkungen tatsächlich eintreten.

Etwa 20 Prozent der Patienten, die während einer kontrollierten klinischen Studie zur Wirkung eines Medikaments Pillen aus Zucker eingenommen hatten, haben spontan über unangenehme Nebenwirkungen berichten können - wobei der Prozentsatz sogar höher lag, als man die Patienten direkt darauf ansprach.

Diese Effekte sind Varianten des Nocebo-Effekts - ein Wort, welches aus dem Lateinischen stammt und übersetzt »ich füge Schaden zu« heißt, als Gegenstück zum Placebo-Effekt, was mit »ich wirke mich positiv aus« übersetzt werden kann.

Ein Placebo-Effekt kann auf Gründe zurückgeführt werden, die nicht mit den spezifischen Eigenschaften der Behandlung in Beziehung stehen, dafür sorgen, dass ein Patient sich besser fühlt. Auf der anderen Seite kann der Nocebo-Effekt dafür sorgen, dass der Patient sich schlechter fühlt (er kann auch andere Schäden verursachen). Symptome, die durch diesen Effekt verursacht werden sind Müdigkeit, Kopfschmerzen, leichtes Schwindelgefühl, Konzentrationsschwierigkeiten und Magenprobleme. Viele Fachleute im Gesundheitswesen sind sich des Nocebo-Effekts nicht bewusst, obwohl sie das Ausscheiden von Patienten aus klinischen Studien, die Beendigung der Einnahme von notwendigen Medikamenten zum Resultat haben können, die die Behandlung weiter erschweren können.

Der Nocebo-Effekt kann von einer Konditionierung herrühren, wenn Patienten einen Raum betreten, und dabei einen Ekel empfinden, weil sie in diesem Raum die Chemotherapie verabreicht bekommen haben. Die Verabreichung von Medikamenten und andere Behandlungsmethoden können einen Symbolcharakter besitzen, der einen Nocebo-Effekt auslösen kann. Die Farbe Rot steht mit Stimulierung in Verbindung, die Farbe Blau mit Entspannung und Ruhe, wodurch rote und blaue Pillen möglicherweise jene Reaktionen hervorrufen können, die als ungewollte Nebenwirkungen bekannt sind. Gerüchte, die die Runde machen, können ebenso Auslöser für Nocebo-Effekte sein. Viele Leute, die von Penicillin-Allergien gehört haben, denken oft fälschlicherweise dass sie allergisch auf Penicillin reagieren würden, und dann auch wirklich von Symptomen berichten, obwohl sie nicht allergisch gegen Penicillin sind.

Experimente zeigen das Potenzial von expliziten Suggestionen bei medizinischen Behandlungen zum Schlechten oder zum Guten auf.

- Freiwilligen Teilnehmern wurde erzählt, dass ein leichter Stromfluss durch ihren Kopf fließen würde und möglicherweise Kopfschmerzen verursachen könnte. In Wirklichkeit aber ist kein elektrischer Strom geflossen, aber etwa zwei Drittel der Teilnehmer hatten tatsächlich Kopfschmerzen

- Patienten mit Asthma wurden in zwei Gruppen unterteilt. Einer Gruppe wurde ein Bronchoconstrictor gegeben, der normalerweise die Symptome von Asthma verschlimmert, aber der Gruppe wurde gesagt, dass es ein Bronchodilator ist, der die Symptome von Asthma abschwächt. Der zweiten Gruppe wurde ein Bronchodilator verabreicht, aber ihnen wurde gesagt, dass es ein Bronchoconstrictor ist. Die Nocebo-Suggestionen reduzierte die Effektivität des Medikaments um 50 Prozent.

- die gleiche Behandlung kann sowohl bei Nocebo-Effekten als auch bei Placebo-Effekten Wirkung zeigen. In einem Experiment, bei dem man den Teilnehmern sagte, die glaubten, auf diverse Nahrungsmittel allergisch zu reagieren, dass in den Injektionen das Allergen vorhanden sei. Es war aber nur Salzwasser und dennoch rief es die allergischen Symptome bei den meisten Teilnehmern hervor. Daraufhin gab man den Teilnehmern erneut Salzwasser, aber sagte diesmal, dass es die Wirkungen der letzten Injektion neutralisieren würde - und in den meisten Fällen auch dies tat.

- ein wirksames Medikament besitzt mehr Nocebo-Kräfte als eine einfache Pille aus Zucker. In einer Studie wurden die Teilnehmer in vier Gruppen unterteilt. Der ersten Gruppe wurde ein Mittel zur Entspannung der Muskeln gegeben, und es wurde ihr gesagt, dass es ein Stimulans für Muskeln sei, was auch den Tatsachen entsprach; der zweiten Gruppe wurde auch dieses Mittel zur Entspannung der Muskeln verabreicht, aber ihr wurde gesagt, dass es ein Mittel zur Stimulierung der Muskeln sei; der dritten Gruppe wurde eine Pille aus Zucker gegeben, bei der man sagte, dass es wiederum ein Mittel zur Entspannung der Muskeln sei, und der letzten vierten Gruppe wurde eine Pille aus Zucker gegeben, bei der man sagte, dass sie zur Stimulierung der Muskeln sei.

Es war dann auch keine Überraschung, dass die Mitglieder der Gruppe, denen man sagte, dass das Medikament zur Stimulierung der Muskeln sei, dazu neigten zu sagen, dass sie eine Anspannung verspürten. Aber das wirksame Mittel zur Muskelentspannung brachte mehr Berichte von Anspannungen hervor, wenn man es als Stimulans für Muskeln deklarierte - im Gegensatz zu der Pille aus Zucker. Die Konzentrationen des Mittels im Blut der Personen, denen man sagte es sei ein Stimulans waren niedriger als bei den Personen, denen man die Wahrheit sagte. Sie haben möglicherweise das Medikament in einem geringeren Maß absorbiert, weil diese Falschinformation das sympathische Nervensystem aktiviert hat, welche die Peristaltik des Verdauungstraktes verlangsamt hat.

Jeder kann Opfer Nocebo-Effekts werden, aber es hat sich gezeigt, dass die gleichen Leute sehr stark sowohl auf den Nocebo-Effekt als auch auf den Placebo-Effekt reagiert haben. In einem Experiment wurde den Teilnehmern gesagt, dass sie ihre Hand so lange in Eiswasser halten sollten wie sie konnten. Einer Gruppe wurde erzählt, dass diese Maßnahme positive Resultate bringen würde, wenn sie ihre Hand fünf Minuten lang in das Eiswasser halten würden (eine Placebo-Suggestion in der Instruktion). Der zweiten Gruppe wurde erzählt, dass dies schädlich sei, so dass das Experiment aus Sicherheitsgründen nach fünf Minuten abgebrochen werden müsse (eine Nocebo-Suggestion in der Instruktion ). Der dritten Gruppe wurde erzählt, dass ihre Reaktionen auf die Kälte getestet werden würden (eine neutrale Suggestion in der Instruktion). Die Leute die bei einer vorherigen Befragung hohe Angst vor Schmerzen angaben zeigten die größten Reaktionen - basierend auf der Zeit, die gemessen wurde, während sie ihre Hand in das Eiswasser hielten - nicht nur bei der Instruktion mit der Nocebo-Suggestion sondern auch bei jener mit der Placebo-Suggestion.

Diejenigen, die ängstlich, bedrückt und hypochondrisch veranlagt waren, riskierten, dass sie als Resultat weitere Symptome entwickelten, als Folge der Tröstungen oder der Versuche sie zu heilen. In diesem Fall steht der Nocebo-Effekt in Verbindung mit der Somatisierung, dem Ausdruck von emotionalen Zerwürfnissen in Form von körperlichen Symptomen. Somatoforme Störungen, die durch regelmäßig wiederkehrende, medizinisch unerklärliche Beschwerden gekennzeichnet sind, besitzen viele Ursachen in der Stimmung, in der Persönlichkeit und den sozialen Umständen. Somatoforme können ebenso dadurch ausgelöst und aufrechterhalten werden, was von Manchen als Vorteil angesehen werden würde, wie ein Kranker behandelt zu werden und Zuneigungen zu bekommen. Der so genannte sekundäre Krankheitsgewinn wird in manchen Fällen als eine weitere Form des Nocebo-Effekts betrachtet.

Die Patienten benötigen ein Verständnis und Hilfe zur Duldung, Minimierung oder Ausblendung des Nocebo-Effekts und anderer somatoformer Reaktionen. Diese Reaktionen könnten dann ihre Wirkung zeigen, wenn die Nebenwirkungen eines Medikaments oder einer anderen Behandlung vage und mehrdeutig sind, oder der Patient erwartet, dass es ihm Probleme bereiten wird. Die Patienten könnten jedoch über ihre früheren enttäuschenden Erfahrungen mit medizinischen Prozeduren befragt werden. Wenn der Patient sagt, dass er besonders empfindlich auf Medikamente reagiert, könnte der Arzt darauf hinweisen, dass die erwarteten schlechten Effekte eine sich selbst erfüllende Prophezeiung bewirken könnten. Es könnte helfen die Grenzen der Medizin zu unterstreichen, und die enge Beziehung zwischen den Emotionen und der körperlichen Wahrnehmung zu erklären, insbesondere weil Stresshormone darin mitwirken. Der Arzt sollte vor allem, wenn er einem Patientem ein Medikament oder eine andere Behandlung verschreibt, so handeln, dass er ein Vertrauen zum Patienten aufbaut und dem Patienten ein Gefühl der Kooperation und des Mitwirkens vermittelt werden sollte.

Referenzen
Barsky AJ, et al. »Nonspecific Medication Side Effects and the Nocebo Phenomenon,« Journal of the American Medical Association (Feb. 2002): Vol. 287, No. 5, pp. 622–27.

Benedetti F, et al. »Conscious Expectation and Unconscious Conditioning in Analgesic, Motor, and Hormonal Placebo/Nocebo Responses,« Journal of Neuroscience (May 15, 2003): Vol. 23, No. 10, pp. 4315–23.

Hahn RA. »The Nocebo Phenomenon: The Concept, Evidence, and Implications for Public Health,« Preventive Medicine (Sept.-Oct. 1997): Vol. 26, No. 5, pp. 607–11.

Spiegel H. »Nocebo: The Power of Suggestibility,« Preventive Medicine(Sept.-Oct. 1997): Vol. 26, No. 5, pp. 616–21.

Link zum Artikel

Ein weiterer Artikel zum Nocebo-Effekt:
Link zum Artikel


Obis Kommentar dazu:
Man sollte als Betroffener eigentlich sofort - also gleich hier und jetzt - ein Blatt Papier zur Hand nehmen und für den Anfang eine für das Bewusstsein einfach zu verarbeitende, kompakte, positive und zielgerichtete Autosuggestion formulieren.
Diese Autosuggestion wiederholt man dann jeden Tag im Verlauf des Tages »gebetsmühlenartig« immer wieder - sei es kurz vor dem Schlafen gehen (was sogar noch besser im Unterbewusstsein wirkt) oder während der Autofahrt auf einem Tonbandgerät oder MP3-Player etc. Man kann auch ein gebundenes DIN A4 Heft hernehmen und jeden Tag mehrere male am Tag seine ausformulierten Autosuggestionen darin niederschreiben.
Enorm wichtig dabei : die Regelmässigkeit!
Ausserdem wichtig: Geistige Konzentration auf die Affirmation / Autosuggestion! (vor dem geistigen Auge stellt man sich die Resultate so plastisch vor, dass sie sehr realistisch und greifbar wirken, notfalls sollte man das üben)

Beispielsweise sieht eine gut formulierte Autosuggestion etwa so aus (am Beispiel von Übergewicht):
»Tag für Tag erlange ich Peter Mustermann immer etwas intensiver und entschlossener einen athletischen und gutgebauten Körper«.
- »wird« oder »will« vermeiden - anstatt »ich will/werde gesund werden«, lieber »ich bin von Tag zu Tag immer etwas gesünder« etc.
- nicht zu viel auf einmal vom Unter-/Bewusstsein verlangen, sonst streikt es und es blockiert ab - eher in klitzekleinen Schrittchen zum Ziel gelangen; Beispiel: Anstatt »Ich beherrsche perfekt Spanisch«, lieber »von Tag zu Tag verstehe und spreche ich Spanisch immer etwas besser«
- es können mehrere unterschiedliche Affirmationen/Autosuggestionen herangezogen werden, sie sollten jedoch alle das gleiche Ziel anpeilen, aber eben aus verschiedenen Richtungen heraus in Angriff nehmen. Man muss nicht zwanghaft eine einzige Autosuggestion verwenden, man kann auch mehrere Autosuggestionen formulieren und sie abwechselnd affirmativ wiederholen.
- die Autosuggestion nicht zu allgemein und zu weit gefasst formulieren - man sollte ruhig ins konkrete Detail gehen; hier aber unbedingt aufpassen dass die autosuggestive Formel nicht zu komplex wird - einfach versuchen die goldene Mitte zu treffen.

Eine Anleitung zur richtigen Formulierung von Autosuggestionen findet sich hier:
Diesem Link folgen...

Noch ein paar Anmerkungen dazu:

Es gab auch einen Fall, bei dem ein Mann von einer ungiftigen Schlange gebissen wurde, und er dann durch diesen symbolträchtigen Biss dieser harmlosen Schlange psychisch so in Panik geraten ist, dass sein Körper beruhend darauf in einen sehr kritischen Zustand geraten ist und er fast nur an den desaströsen Gedanken gestorben ist.
Wenn nur Gedanken so eine Auswirkung (oder Macht) auf den Körper haben können, welche Auswirkungen haben dann erst positive Gedanken auf die eigene Gesundheit?

Gedanken haben die Eigenart die Dinge »magisch« anzuziehen, über die sie gerade handeln. Wenn man pessimistisch an eine Sache herangeht, z.B. man denkt sich innerlich »das kann ich eh nicht, ich werde es sowieso nicht schaffen«, dann manifestiert sich der Effekt der »selbsterfüllenden Prophezeiung« ... und man wird es tatsächlich nicht »hinbekommen«, da der Gedanke Wirklichkeit geworden ist! ...

Also mistet euer Bewusstsein hier und jetzt von den nagenden, negativen Gedanken aus und erfüllt es mit blühenden positiven Gedanken und Überzeugungen ... und nicht vergessen - mit jedem negativen Gedanken spielt man dem Misslingen in die Hände ... und in Anbetracht des obigen Artikels kann man recht schnell das wahre Ausmass von Gedankenkraft in praktisch allen Belangen des Lebens erahnen...


Denn wie heisst es so schön im Talmud:

Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheit.
Achte auf Deine Gewohnheit, denn sie wird Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.

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